Moinsen!
josefini1 hat geschrieben:...Zur Qualität: Der Fernseher hielt 22 Jahre....
Und genau
darin liegt der Fehler der Berechnung des statistischen Bundesamts, was die offizielle Inflationsrate angeht:
Der Warenkorb beinhaltet auch einen gewissen Anteil an Gebrauchs-/Verbrauchsgegenständen und Unterhaltungselektronik. Und gerade die Elektronik ist in den letzten 20...30 Jahren deutlich billiger (und ich meine tatsächlich billiger in mehrfacher Hinsicht!) geworden.
DAS führt dazu, dass die teilweise deutlich höhere Inflationsrate von Lebensmitteln durch die Verbilligung von Elektronik zum Teil ausgeglichen wird. Nur leider hält heutzutage ein durchschnittlicher Fernseher garantiert keine 20..25 Jahre mehr.
Wenn ich also einfach nur sage, dass ein Standardfernseher relativ zum durchschnittlichen Einkommen nur noch ein Drittel kostet wie vor 30 Jahren, dann lasse ich dabei außer Acht, dass der Fernseher auch nur noch ein Drittel so lange hält.
...dass allerdings heutzutage die wenigsten mit einem 20 Jahre alten Röhrenfernseher zufrieden wären, das steht auf einem anderen Blatt. Ein großer Teil der Geräte wird heute "ausgemustert", weil die meisten einfach nach fünf bis zehn Jahren einen größeren, schöneren, schärferen, flacheren, geileren,... Fernseher haben möchten. Ich schließe mich da selbst gar nicht aus.
Und um wieder den Bogen zum eigentlichen Thema "Langzeitautos" zu kriegen: Der oben genannte Effekt ist meiner Erfahrung nach bei aktuellen Fahrzeugen
absolut derselbe: Es soll alles vordergründig immer moderner und komfortabler werden, immer mehr elektronische Spielereien sind drin - aber die Qualität selbiger wird immer bescheidener.
Ich könnt' mich hier über meinen anderthalb Jahre alten Firmen-Passat auslassen (Höhenverstellung LED-Scheinwerfer, Komfortschließfunktion Panoramadach, bei Kälte spinnender Touchscreen, sporadisch fehlerhaftes Umschalten zwischen Freisprecheinrichtung und Radio oder Medien,...), aber ich will mich nicht aufregen.
Viel Technik, billigst eingekauft bzw. produziert - und dem Kunden teuer in Rechnung gestellt.
josefini1 hat geschrieben:...Was definitiv teurer geworden ist, sind die Löhne, da geb ich Dir vollkommen recht. Und von den Stundensätzen, die sich in den letzten 30 Jahren tlw. mehr als vervierfacht haben, kommt beim Arbeiter am anderen Ende nicht wirklich das vierfache an.
Tatsächlich haben sich die Durchschnittsgehälter in den letzten 30 Jahren gut verdoppelt - kann man in erster Näherung in etwa an der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung ablesen (1987: DM 5.700,- monatlich, 2017: € 6.350,- monatlich).
Dass heute für Arbeitsstunden das Vierfache in Rechnung gestellt wird bzw. sich das Verhältnis von eigenem (Netto-)Einkommen zu Dienstleistungskosten weiter verschlechtert hat, hat mehrere Gründe: Erstens ist die Abgabenlast (Steuern und Sozialversicherungen) für mittlere Einkommen heute etwas höher als vor 30 Jahren. Und zweitens (und dieser Punkt hat den deutlich größten Anteil an der Entwicklung!) wird immer mehr Kohle mit der Arbeit anderer Leute gemacht. Es ist ne absolute Sauerei, dass beispielsweise in einem Audi-Zentrum im (Groß-)städtischen Raum dem Kunden eine Werkstattstunde für (je nach Stadt) 90..140 Euro in Rechnung gestellt wird, der Geselle der diese Arbeit dann macht aber nur 12...16 Euro Bruttolohn erhält. Oder anders ausgedrückt: Beauftragt ein Geselle seinen Gesellenkollegen ganz offiziell mit der Reparatur seines Fahrzeugs, muss er selbst etwa anderthalb Tage arbeiten, um von seinem Netto-Lohn dann eine offizielle Arbeitsstunde bezahlen zu können.
Und Großaktionäre und Vorstände verdienen sich dank dieser Konzernpolitik ne goldene Nase.
josefini1 hat geschrieben:...Alles in allem finde ich persönlich MEIN Leben jetzt nicht wirklich teurer als vor 20 Jahren...
Ja, das ist bei mir nicht anders. Aber Du darfst dabei nicht vergessen: Man darf seine persönliche aktuelle Einkommens- und Lebenssituation nicht mit der von vor 20 Jahren vergleichen und daraus auf die Allgemeinsituation der Gesellschaft schließen - für eine echte objektive Betrachtung muss man seine aktuelle Situation mit der eines vergleichbaren Angestellten/Arbeiters (was auch immer) vor 20 Jahren vergleichen!
Dass es mir vor 20 Jahren als Azubi im 3. Lehrjahr finanziell nicht so gut ging wie heute als Ingenieur, das liegt wohl auf der Hand. Aber ob es beispielsweise einem Facharbeiter heute finanziell besser geht als einem Facharbeiter in gleicher Position und gleichem Alter vor 20 Jahren...?
DAS wage ich mal stark zu bezweifeln.
Gruß
Christian